KORRUPTION IM ZUSAMMENHANG MIT DEM BAU VON MÜLLVERBRENNUNGSANLAGEN

14.03.2002 | Brief von Univ.-Prof. (em.) Dr. Otmar Wassermann, ehemaliger Direktor des Institutes für Toxikologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zum Thema "Korruption im Zusammenhang mit dem Bau von Müllverbrennungsanlagen" an Bundeskanzler Gerhard  S c h r ö d e r

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schröder,

meine über 30 Jahre gesammelten, ausschließlich schlechten Erfahrungen mit der Müllwirtschaft veranlassen mich, Ihnen das Ausmaß des Korruptionsskandals etwas zu verdeutlichen.

Die z. Zt. in Köln – eher zufällig – ans Licht geratenen düsteren Beziehungen zwischen Müllwirtschaft und Politikern und die anscheinend verschreckten Reaktionen innerhalb der SPD ebenso wie das wissende Schweigen bei CDU, CSU und FDP auf diese anscheinend „neuen Erkenntnisse“ zwingen mich, Sie auf folgende Selbstverständlichkeit im Dunstkreis der Müllentsorger (und Erbauer von Müllverbrennungsanlagen, MVA) und ihrer Förderer aufmerksam zu machen:

Es ist eine allgemein bekannte – und von der Müllwirtschaft nie widersprochene – Tatsache, dass  bereits in der Kalkulation eines Angebotes für den Bau einer neuen MVA

5–8% des Endpreises „für verkaufsfördernde Maßnahmen“

enthalten sind.

Diese feinsinnige Umschreibung wählt man in diesen Kreisen für den ehrlicheren Begriff der „Bestechung“. Leicht zu erkennen, daß bei einem Endpreis einer größeren MVA von ca. Euro 500.000.000, -  (in Worten: fünfhundert Millionen) „Bestechungsgelder in zweistelliger Millionenhöhe“ die Regel sind.

Sie tragen als Bundeskanzler politische Verantwortung in diesem Lande auf höchster Ebene. Sie sind daher verpflichtet, das katastrophale Ausmaß dieser Korruptionslandschaft in Deutschland aufzuklären, um das seit Jahrzehnten erkennbare stete Absinken dieser Gesellschaft in den Korruptionssumpf wenigstens in diesem Bereich zu verlangsamen.

Untätigkeit macht Sie zum Mitschuldigen.

Bitte richten Sie dabei Ihr besonderes Augenmerk auch auf Karlsruhe, wo z. Zt. der Regierungspräsident eine längst als technisch katastrophal bekannte MVA („Thermoselect“; siehe auch Ansbach!) unter Brechung geltenden Rechts und unter Duldung offensichtlich betrügerischer Manipulation, ja plumpen Betrugs protegiert. Die Größenordnung dieser kriminellen Machenschaften liegt immerhin bei einem angestrebten „Marktwert“ von etwa 20 Milliarden EURO, der von der Müllgebühren zahlenden Öffentlichkeit abgezockt werden soll.

Da seit Jahrzehnten der dringende Verdacht besteht, daß beim Bau – bzw. bereits in der Planungs- und Antragsphase – aller deutschen MVA Bestechung die Regel war und ist,  fordere ich Sie auf, die rückhaltlose Aufklärung der illegalen Finanztransaktionen bei allen in Deutschland gebauten bzw. in der Planung befindlichen MVA (ungeachtet eventueller „Verjährungsfristen“) umgehend durchzusetzen und alle Schuldigen in Wirtschaft, Politik und Ministerial-, Bezirks- bzw. Kreis- und Kommunalverwaltung rücksichtslos zur Rechenschaft zu ziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Otmar Wassermann